Bertha - für alle ... oder: “Schutzgebüääääääähr”
Also, vorhin war Bauer Hünning echt sprachlos, wegen Malino - und das kam so: Vor ein paar Wochen hat Bauer Hünning bei der Tombola einen schönen Gutschein von dem Künstler Malino gewonnen. Ihr wisst ja, woran man Malino, den Künstler, erkennen kann, oder? Der trägt einen bunten Seidenschal um den Hals, der immer so fröhlich im Wind flattert und er hat immer einen Rest Ölfarbe unter den Fingernägeln. Aber auch, wenn der Schal wie sonst fröhlich im Wind flatterte, Malino, der Künstler, war dieses Mal gar nicht fröhlich.
Aber nun aber mal zurück zu dem Gutschein: Es war ein Gutschein für ein Haustierportrait. Und weil ich jetzt ein so berühmtes Deichschaf bin und es gerade Stallzeit ist, hatte Bauer Hünning die geniale Idee, dass der Malino mich malen kann. Ja, das hat er ja dann auch gemacht. Er hat nicht nur ein Bild für Bauer Hünning gemalt, sondern gleich noch ein paar mehr, für sich.
Heute kam der Malino dann mit den fertigen Werken unter dem Arm an sowie einem großen Stapel schöner Bertha-Drucke, die er nun alle auf seinem Kunststand verkaufen will. Das hat er uns alles ganz stolz gezeigt, ist ja auch echt eine feine Sache.
Wir, also Bauer Hünning, Anna, die Eierfrau Hede, Frieda von gegenüber und ich, wir alle bewunderten ausgiebig das Bild und die schönen Drucke und ließen uns von Malino erzählen, wie großartig er jetzt mit diesen Bildern in das Kunst-Geschäft einsteigen wird.
„Na, wenn das so weiter geht, werden wir alle noch berühmt und reich mit Bertha“, grinste Frieda und griff in ihre Manteltasche. „Guckt mal, ich habe nämlich eine Bertha genäht, für dich, liebe Anna. Und ich habe doch meinen Marktstand, da will ich jetzt auch handgenähte Berthas verkaufen.“
Ja, was für eine feine Idee ist das denn! Anna, Hede und ich strahlten um die Wette. Und auch Bauer Hünning schaute ganz zufrieden drein, bis Malino plötzlich grimmig sein Gesicht verzog und heftig losfauchte: „Ja, aber so geht das doch gar nicht! Da kann doch nicht jeder einfach kommen und mal eben Berthas nähen oder sonst was. Also, das ist ja wohl ganz klar, Bauer Hünning und ich, wir brauchen dafür eine Schutzgebühr!“
Frieda wurde ganz blass im Gesicht . Verständnislos starrten wir anderen den Künstler Malino an. „Hä, Schutzgebühr??? Wir brauchen doch von Frieda keine Schutzgebühr!“ Wir alle schüttelten nur mit dem Kopf.
Tja, und das war dann der Moment, als der Schal von Malino wie sonst fröhlich im Wind flatterte. Aber Malino, der Künstler, war gar nicht mehr fröhlich. Ganz grimmig guckte er in die Runde und fauchte: „Natürlich brauchen wir eine Schutzgebühr. Wir müssen sogar eine Schutzgebühr nehmen.“
„Also, Frieda hat ja sowieso nicht viel Geld, die bessert mit ihren genähten Sachen nur ein bisschen ihre kleine Rente auf. Und wenn sie dann davon auch noch Geld abgeben muss ... Da bleibt ja noch weniger für die arme Frau über. Oder sie muss die genähten Berthas noch teurer verkaufen und dann wird das für viele Familien unerschwinglich, sich so eine Bertha zu kaufen.“
„Es gibt schon noch genug Leute, die reichlich Geld haben“, blaffte Malino zurück.
Auf einmal redeten die Erwachsenen alle durcheinander und Anna bekam plötzlich Tränen in die Augen: „Oh, wir wollten doch in der Schule für den Adventsbasar kleine Berthas basteln. Mit Kastanien. Müssen wir dann auch eine Schutzgebühr bezahlen?“ Aber weil die Erwachsenen so dolle durcheinander redeten, bekamen sie das nun gar nicht mehr mit und ich tröstete erst einmal die kleine Anna mit einem netten Schafknuddel.
Frieda wurde inzwischen noch blasser im Gesicht, als Malino erste Zahlen nannte. Zum Glück strich Bauer Hünning ihr nun jedoch beruhigend über den Arm. „Keine Sorge, Frieda, ich will keine Schutzgebühr, du kannst uns hin und wieder mal eine Bertha nähen, die verschenken wir dann an den Kindergarten oder an arme Kinder, aber Geld wollen wir auf keinen Fall von dir.“
„Tja, wenn du meinst, ich muss jedenfalls auf meine Schutzgebühr bestehen, denn was muss, das muss“, grummelte Malino weiter. Entschlossen holte er sich einen Stift und einen Zettel aus seinem Künstlermantel heraus, um nun auf das genaueste auszurechnen, wie hoch die Gebühr sein muss, die Frieda nun immer an ihn bezahlen soll für jede verkaufte Bertha.
Ja, was für ein Glück, dass in dem Moment Karl-Heinz, der Prospektbote, mit seinem Sohn Harald zusammen auf den Hof fuhr. Harald ist ein total schlauer Rechtsberater, der hat sogar ein eigenes Büro in der Stadt. Natürlich erzählte Hede ihm sofort alles und warum Malino so dolle am Rechnen war.
Und weil Harald so ein schlauer Rechtsberater ist, nahm er sich der Angelegenheit auch sofort an: „Frieda, nimmst du denn für deine handgenähten Berthas einen Stoff, auf denen Malinos Bertha-Bilder draufgedruckt sind?“
„Na, auf gar keinen Fall. Wie würde das denn aussehen? Schau mal, ich nehme diesen schönen handgewebten weichen Stoff für meine Berthas.“
Harald schaute sich die handgenähte Bertha und den Stoff ganz genau an und dann nickte er. „Also, der Fall ist ganz klar. Die Bilder von Malino sind natürlich total geschützt, die darf niemand ohne seine Erlaubnis nehmen. Aber jeder, der Lust hat, darf sich eine Bertha nähen, stricken, basteln, häkeln oder malen. Auch zum Verkaufen.“
„Auch wir für den Schulbasar?“, fragte Anna vorsichtig.
„Aber na klar doch. Bertha ist für alle da und wenn überhaupt, dann könnte nur Bertha sagen, dass sie das nicht will.“
Natürlich habe ich da über das ganze Gesicht gestrahlt und gesagt: „Ich finde das schön, wenn Bertha für alle da ist!“
Ja, was haben wir uns da alle gefreut! Nur Malino ist wutentbrannt vom Hof gefahren. Aber egal, denn wir machen jetzt erst einmal einen Möhrensaft auf.
Prost Möhrensaft!
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